Donnerstag, 28. September 2017

Eine Saree auf Umwegen

Am 28.09. nahmen wir an den Feierlichkeiten zum Bathukamma Festival teil. Am Dienstag dem 26.09. waren wir dafür zusammen mit unserer Mentorin eine Halb-Saree für mich kaufen. Den Unterschied zwischen Saree, Halb-Saree, Churidar, Kurta und Chudi werde ich in einem anderen Blogartikel ausführlich erläutern. Ich musste mich in dem Laden zwischen verschiedensten Stoffen, Farben, Schnitten und Dekorationen entscheiden und zum Schluss fiel meine Entscheidung auf eine hellblaue Saree mit rotem Tuch. Noch am gleichen Abend brachten wir die Saree zu einem Schneider, da die Blusen stets maßangefertigt werden. Wir erklärten ihm die Situation, dass ich die Saree bis Donnerstag früh bräuchte und er sich daher beeilen musste. Gegen einen Aufpreis sagte er uns zu. Als er sich den Stoff für die Bluse dann anschauen wollte, stellten wir mit Entsetzen fest, dass der Laden vergessen hatte, uns die Bluse einzupacken. Ohne Blusenstoff kann man aber nunmal keine Bluse nähen. Dankenswerterweise ist meine Mentorin dann wieder zurück zu dem Laden gefahren und hat den Blusenstoff abgeholt. Am nächsten Morgen haben wir uns dann in der Schneiderrei getroffen, diesmal MIT Blusenstoff, der Schneider hat meine Maße genommen und mir wurde gesagt, dass ich am nächsten Morgen, dem Morgen des Festivals, um 11 Uhr vorbei kommen könnte um die Halb-Saree abzuholen.

Am nächsten Morgen schälte ich mich gegen kurz nach 10 aus dem Bett, ging duschen und frühstücken. Als ich indisch-pünktlich um 11:15 Uhr das Haus verließ, um meine Bluse abzuholen, war ich guter Dinge, in wenigen Minuten meine erste eigene Halb-Saree in den Händen zu halten. In der Näherrei angekommen sah ich meine Bluse schon. Allerdings war sie noch nicht fertig und der Schneider grinste mich etwas zerknirscht an. Zum Glück brauchte er aber nicht mehr länger als 10 Minuten und als ich die Bluse anprobierte, war ich schon ganz aufgeregt. Da stand aber schon das nächste Problem im Raum: Die Bluse ging trotz starken Ziehens einfach nicht zu. Kurzerhand zog der Schneider die Nähte also wieder auf, nahm erneut meine Maße, nähte irgendetwas um und tadaa, beim nächsten Anprobieren passte die Bluse wie angegossen. Endlich glücklich und zufrieden zahlte ich die 400 Rupien (umgerechnet 5,20€) und ging vergnügt mit meiner fertigen Halb-Saree in einer Tüte nach Hause. Zuhause angekommen probierte ich die Bluse erneut an und erfreulicherweise passte sie immer noch. Als ich den zugehörigen Rock dann anziehen wollte, stutze ich etwas. Er war zu weit. Und zwar nicht nur ein bisschen zu weit, sondern viel zu weit. Jetzt blieb mir nichts anderes übrig, als auf meine Mentorin zu warten, die und zu dem bevorstehenden Festival abholen und mir beim Anziehen der Halb-Saree helfen wollte. Trotzdem wollte ich sehen, wie die Bluse und der Rock zusammen aussahen. Also schnappte ich mir von der Wäscheleine eine Wäscheklammer, klammerte den Rock damit zusammen und betrachtete mich damit im Spiegel. Ich war zufrieden mit dem, was ich sah. Im Endeffekt ist es wie ein sehr bauchfreies Oberteil mit einem bodenlangen Rock. Das Problem mit dem Rock klärte sich dann auch, als unsere Mentorin zu uns kam. Der Sinn dahinter ist nämlich, dass man eine Schnur durch den Bund des Rockes zieht und dann verknotet. Gesagt, getan, Tuch gelegt und befestigt, auf einmal stand ich da in meiner neuen Halb-Saree, glücklich wie ein Honigkuchenpferd. Meine Mentorin stattete mich dann noch mit einer passenden Halskette und einem Armband aus und schon war ich bereit, auf das Festival zu gehen und mit den indischen Frauen die Weiblichkeit anzubeten.
Ein Selfie als ich fertig eingekleidet war
Bluse und Rock


Nur die Bluse
Zusammen mit meiner Teampartnerin Melanie
Von oben bis unten in Halb-Saree


Auf dem Festival mit Frauen in Sarees (damit man die Halb-Saree auch mal von hinten sieht)

Mittwoch, 27. September 2017

Das Bathukamma Festival

Das Bathukamma Festival, oder auch Blumenfestival, ist eine Feierlichkeit, die von den Hindu Frauen Telanganas gefeiert wird. Telangana ist der Bundesstaat, von dem Hyderabad die Hauptstadt ist, weswegen dieses Festival bei uns sehr stark zelebriert wurde.
Die Feierlichkeiten erstrecken sich über neun Tage und finden ihren Höhepunkt am neunten Tag. Es gibt kein festes Datum für dieses Festival im gregorianischen Kalender, der Start orientiert sich an anderen Festivals, über diese alle zu berichten würde aber mein Wissen und den Rahmen dieses Eintrags sprengen. Es findet aber immer zwischen September und Oktober statt, dieses Jahr vom 20.09-28.09.

Das Festival steht für den kulturellen Geist Telanganas und weibliches Glück und Gesundheit. Zu den Feierlichkeiten werden von den Hindu Frauen Telanganas siebenlagige Blumengestecke angefertigt, in denen die Blumen teilweise medizinische Faktoren haben. Die kuppelartige Form und die Lagen des Blumengestecks sind dem Tempel Gopuram nachempfunden. Bathukamma bedeutet übersetzt „Mutter Göttin werde lebendig“ und ist der Göttin Maha Gauri Devi, der Lebensgeberin und Patronin der Weiblichkeit, gewidmet

Während der Feierlichkeiten des Bathukamma Festivals tragen die Frauen ausschließlich Saris oder Halb-Saris (wie ich) und schmücken sich mit viel Schmuck und anderen Accessoires.
Der Ursprung des Festivals liegt in der Geschichte um einen Kampf in Telangana, zu dessem Abschluss neun Tage lang auf einem Berg gefeiert wurde und ein Blumengesteck aufgrund des Sieges angefertigt wurde.

Um die Entstehung des Festivals ranken sich aber viele Mythen. Der Mythos, der uns erzählt wurde, ist jener, in welchem die 100 Söhne eines Königs und einer Königin auf dem Schlachtfeld ums Leben kamen. Sie beteten zu der Göttin Lakshmi, dass sie in ihrem Haus als ihr Kind geboren werden solle. Lakshmi erhörte diese Gebete und als sie geboren wurde, warfen alle Untertanen des Königs gelbe Blumen in die Brunnen des Königreiches, die für Gesundheit sorgen sollten. Auch kamen alle Weisen und segneten das Kind mit Unsterblichkeit und sprachen „Bathukamma oder lebe für immer“.

Am Donnerstag dem 28.09. wird der Höhepunkt des Bathukamma Festivals stattfinden und wir werden dabei sein. Wie das alles ist und wie ich mich in meiner Halbsari dabei gefühlt habe, findet ihr in einem der nächsten Blogartikel.

Dieser Art von Tempel sind die Blumengestecke nachempfunden

Autobahnen, Blumen, Chillischoten und Chai

Am Dienstag dem 26.09. dachten wir zunächst, dass wir an diesem Tag Informationen über die Telefon-Helpline von Bhumika bekommen würden. Aber wieder mal kam alles ein bisschen anders. Unsere Chefin rief uns zu sich, um uns weitere Informationen über die Situation der Frauen in Indien zu geben (ein Blogartikel über die gesammelten Informationen kommt noch! :)). Dann sagte sie zu uns, dass wir schnell unser Lunch essen sollen, da wir noch vor dem Mittagessen aufbrechen würden, Wohin genau, war uns nicht ganz klar. Wir wurden von dem Fahrer des Departement of Rural Development abgeholt und fuhren los. Zunächst war der Verkehr sehr stockend uns unsere Chefin rief mehrmals in dem Department an, um zu sagen, dass sie aufgrund des Verkehrs später kommen würde als geplant. Schließlich kamen wir aber auf eine große Straße und zum ersten Mal in den letzten zwei Monaten hatten wir wirklich freie Fahrt. Unsere Mentorin erklärte mir, dass auf dieser Straße Motoräder und Rikschas nicht erlaubt wären und dass es der schnellste Weg zum Flughafen Hyderabad wäre. Diese Info habe ich dann erst mal für den Besuch von meiner Mutter und meinem Freund im Hinterkopf abgespeichert. Obwohl am Straßenrand ein Schild mit der Geschwindigkeitsbegrenzung 40 km/h angebracht war, düste unser Fahrer mit 90 km/h die Straße entlang. Allerdings gehörte er damit noch zu den langsamen Fahrzeugen…
Auf dem großen Komplex angekommen, setzten wir uns mit unserer Mentorin an den großen, u-förmig angelegten Tisch und unsere Chefin nahm vor Kopf Platz. Wir waren hierhergekommen, da sie einen Vortrag über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Kinderehen und weitere Probleme, mit denen Frauen in Indien Probleme haben, zu halten. In diesem Zuge stellte sie auch sich und die Organisation Bhumika als Ansprechpartner vor, die im Falle eines Problems jederzeit informiert und zur Hilfe gerufen werden können.

Nachdem eine kurze Vorstellungsrunde aller Anwesenden stattgefunden hatte, standen plötzlich alle auf und verließen den Raum. Unsere Mentorin, unsere Chefin und wir waren ziemlich verwirrt, bis uns erklärt wurde, dass um 15:00 Uhr Feierlichkeiten aufgrund des Bathukamma Festivals stattfinden würden. Also gingen wir auch auf den Hof des Gebäudes, wo ein großes, buntes Gemälde auf dem Boden war und Blumen, wunderschön zusammengesteckt, präsentiert wurden. Zunächst wurde eine kleine Zeremonie vollzogen, bei der die Gegenstände mit Räucherstäbchen und Kokoswasser geheiligt wurden und dann fingen die Anwesenden an, zu der eingespielten Musik zu tanzen. Wir wurden mehrfach aufgefordert, mitzutanzen, nach einem kurzen gescheiterten Versuch meinerseits stellte ich mich dann aber wieder an den Rand und genoss das farbenfrohe, bunte und freudige Schauspiel.

Als die Zeremonie eine halbe Stunde später beendet war, gingen wir wieder in den Vortragssaal. Unsere Chefin hielt den Vortrag zu Ende und alle Anwesenden bekamen währenddessen frittierte Chillischoten und Chai-Tee gereicht. Ich bin kein Fan von scharfem Essen, dachte mir aber, dass ich es mal probiere, wenn ich schon in Indien bin. Ich probierte also die Chillischote und war überrascht, dass sie mir so gut schmeckte. In nullkommanichts hatte ich die restlichen Chillischoten aufgegessen, den Chai konnte ich danach gut zum Ablöschen meines brennenden Mundes nutzen.
Den Vortrag selbst haben wir leider nicht verstanden, da er auf Telugu gehalten wurde, unsere Mentorin teilte uns aber teilweise mit, worüber gerade diskutiert wurde und was das grundlegende Thema war.


Darüber, wie wir an dem Abend dann noch eine Saree für mich gekauft haben, berichte ich im nächsten Blog-Artikel.



Sonntag, 17. September 2017

Ein Waisenhaus in Indien…

…kann man nicht mit einem deutschen vergleichen. Das hängt aber damit zusammen, dass es generell sehr schwer ist, irgendetwas in Indien mit dem entsprechenden Gegenstück in Deutschland zu vergleichen.

Deswegen kommt hier jetzt eine Beschreibung und Bilder: Über einen großen Hof erreicht man ein flaches Haus, vor dem man, bevor man eintritt, seine Schuhe in ein kleines Schuhregal stellt. Dann betritt man einen großen, fast leeren Raum. In die Wände sind Bücherregale eingebaut, die vollgestopft sind, einige Vitrinen mit Auszeichnungen und Pokalen stehen darin und zwei weitere Schränke voller Hefte, Bücher, Stifte und sonstigen Schulsachen hinter teilweise zerbrochenen Plexiglas-Scheiben stehen an einer Wand. Einige Seile sind quer durch den Raum gespannt. Den Sinn dahinter hat sich uns erst erschlossen, als wir an einem regnerischen Tag in der Schule waren. Sie werden als Wäscheleinen genutzt, wenn man die Kleidung nicht unter freiem Himmel trocknen kann.
Über eine kleine Stufe erreicht man die anderen Räume des Erdgeschosses. Zum einen gibt es das Lehrer-/ Betreuerzimmer, einen kleinen Raum mit einem Schreibtisch, ein paar Stühlen und Regalen.
Nebenan befindet sich eines der Klassenzimmer. Ein mittelgroßer Raum mit Schließfächern an 2 Wänden. Einige Plastik-Gartenstühle sind in einer Ecke des Raumes aufgestapelt, sonst befinden sich keine Möbel in dem Raum. In eine Wand ist wieder ein Schrank eingelassen, in dem sich sehr viele leere Hefte befinden, die bei Bedarf an die Kinder verteilt werden. An der gegenüberliegenden Wand ist eine Tafel in die Wand eingelassen und daneben ist ein Wandschrank, in dem sich Stifte, Radiergummis, Spitzer und sonstiger Schulbedarf befindet.

Im Raum nebenan befinden sich an jeder Wand Schließfächer und Regale. Auf den Schließfächern stehen teilweise Namen, manche wurden angemalt und andere wurden in Ruhe gelassen. An ein paar Schließfächern kann man Schlösser entdecken, einige kann man nicht verschließen und ein paar haben einfach keine Tür mehr.  Auf den Schließfächern liegen Sport- und Reisetaschen, Hefte, Malbücher oder Zeichnungen der Kinder.

Der nächste Raum hat auch Schließfächer, allerdings viel weniger als das Nachbarzimmer. Stattdessen sind hierin wieder Schränke mit Plexiglasfenstern. In manchen befinden sich Plüschtiere, Brettspiele oder andere Spielsachen, man kann aber auch Arbeitsblätter, Vorlesebücher und verschiedenste Teile von Brettspielen entdecken. Teilweise sind die Schränke zugeschlossen, teilweise aber nicht, da sowieso die Scheibe fehlt und es damit egal ist, ob man sie abschließt oder nicht.

Im hinteren Teil des Erdgeschosses befindet sich die Küche, ein Raum, in dem ein Regal mit Gewürzen, Reis, Linsen und anderen Zutaten, eine Gasherdplatte und ein Schrank mit Tellern befindet. Neben der Küche ist dort auch eine Waschstelle für Kleidung und ein Raum mit Wasserhähnen zum Abspülen der Teller.


Am Anfang waren wir etwas geschockt, als wir das Waisenhaus zum ersten Mal betreten haben, da wir die deutsche Sauberkeit gewohnt sind. In dem Waisenhaus ist es zwar nicht dreckig, es stinkt nicht und es gibt keine klebrigen Flecken oder dergleichen, aber man sieht, dass hinter und unter Schränken ausgetrocknete Stifte, Bonbon-Papierchen und Spitzerreste liegen. Auch ist es normal, dass Ratten und Geckos dort herumlaufen und einem entgegenblinzeln, wenn man ein Schließfach öffnet. Die Kinder und Betreuer sind aber glücklich mit ihrem Zuhause, da es den Kindern dort viel besser geht, als es zuhause der Fall sein würde. Für die Mädchen in diesem Heim ist alles, was sie sich wünschen ein Leben, bei dem man an die Zukunft denken kann und nicht jeden Tag daran zweifelt, ob man am nächsten Morgen etwas zu essen bekommt, und dafür darf auch mal eine Ratte im Schließfach schlummern. 

Bilder vom Rainbow-Home folgen in den nächsten Tagen :)

We find happiness in rainbows

Und unser Rainbow ist das Rainbow-Home, zu dem wir zweimal pro Woche gehen, um dort eine Gruppe von Mädchen zwischen vier und sieben Jahren zu betreuen.

Rainbow-Homes sind hier in Hyderabad Waisenhäuser. 
Wir besuchen jede Woche dasselbe Waisenhaus, um dort drei Stunden mit „unseren“ 6 Mädchen Zeit zu verbringen. Meistens spielen wir mit ihnen oder singen Lieder wie Head and Shoulders, Knees and Toes. Ab und zu nehmen wir aber auch selbst erstellte Arbeitsblätter mit, durch die die Mädchen ein wenig Englisch lernen sollen. Hauptsächlich sehen wir unsere Aufgabe aber darin, ein bisschen Spaß in das Leben der Mädels zu bringen, die leider keinen einfachen Start hatten. Als wir das erste Mal im Waisenhaus waren, haben uns die Kinder von ihren Schicksalen erzählt. Zwar haben sie Telugu gesprochen, glücklicherweise konnte unsere Mentorin aber für uns übersetzen. Einige der Mädchen erzählten, dass sie aus sehr ärmlichen Verhältnissen kommen und daher ins Waisenhaus gekommen sind, wo ihnen täglich Essen und Trinken, Unterricht, ein festes Dach über dem Kopf, Sicherheit und Geborgenheit geboten wird. Eines der Mädchen erzählte von Gewalt innerhalb der Familie und es war deutlich zu spüren, dass dieses Kind, obwohl es noch sehr jung ist, viel zu viel durchmachen musste. Generell merken wir bei den Mädchen immer wieder, wie reif viele von ihnen für ihr Alter sind. Einerseits ist das eben auf ihre Vergangenheit zurück zu führen, andererseits aber auch auf das Leben im Waisenhaus, wo die Mädchen viel (aber nicht zu viel) Verantwortung übernehmen.

Wie ein indisches Waisenhaus aussieht, behandle ich im nächsten Blogbeitrag.

Freitag, 8. September 2017

Ein Abend am See

„Only two rules in this car, always speak English and listen to the music you like! “, mit diesen Worten begrüßte uns die Mentorin der beiden Jungs. Mit diesen Regeln kann ich leben, dachte ich mir. Nach einer kurzen, stockenden Fahrt durch den Indischen Verkehr, erreichten wir bald unser Ziel. Einen großen See, inmitten der Stadt. Doch von einer ruhigen, entspannten See-Atmosphäre konnte wohl nicht die Rede sein. Wir erblickten ein Getümmel aus Menschen, Ganeshas und Autos mit Anhängern, die die Abbilder der Hindu Gottheit Richtung See brachten. Nun verstanden wir auch, was es mit den Trommlern auf sich hatte, die bis spät in die Nacht vor unserem Haus feierten. Sie waren auf dem Weg von ihrer Siedlung zu diesem See, in welchem zum krönenden Abschluss die Figuren aus Ton versenkt wurden, dies sollte den Gläubigen Glück bringen. An diesem See fühlten wir uns das erste Mal mittendrin in Indien und wir sind sehr dankbar, dass wir die zwei anderen Freiwilligen begleiten durften. Begleitet wurde das ganze Geschehen durch einen wunderschönen Sonnenuntergang, der das Ganze noch märchenhafter aussehen ließ, als es uns eh schon vorkam.



Gespannt beobachteten wir also, wie riesige Kräne die Plattformen samt Statuen zum Wasser brachten und dort jene von einigen Männern ins Wasser gestoßen wurden. Die umgebende Meute klatschte und johlte, die Stimmung war sehr ausgelassen. „Get back to the car, I want to show you something else“, rief uns die Mentorin der beiden anderen über die Menge zu. Wie viel mehr konnte es denn noch zu entdecken geben?

Noch sehr, sehr viel mehr! Unser Ziel war die größte Ganesha Statur der Stadt, welche ca. 12 Meter Richtung Himmel ragte. Dass wir nicht die Einzigen waren, die diese Statur sehen wollten, wurde uns schnell bewusst. Die Straßen wurden immer voller und wir waren sehr froh in männlicher Begleitung zu sein, da diese dafür sorgte, dass etliche der Blicke wieder von uns abglitten, da uns die meisten wohl für zwei verheiratete Pärchen hielten. Obwohl man in der Menschenmenge wirklich ins Schwitzen kam, war es die interessanteste Erfahrung, die wir hier bis heute sammeln durften.



Und dort wurde uns auch das erste Mal bewusst, wie viele Privilegien mit unserer weißen Hautfarbe einhergehen. Plötzlich waren wir nicht mehr umgeben von drängenden Menschen, sondern in einer eigenen Reihe mit lauter Polizisten. „Wieso sind wir denn jetzt hier, und alle anderen da drüben?“, fragte ich irritiert. „Ach, ich habe einfach ein paar Polizisten die Hände geschüttelt“, erklärte mir Moritz, der solche Situationen offensichtlich schon öfters erlebt hatte als wir. Mir persönlich ist es sehr unangenehm, aufgrund meiner Hautfarbe anders behandelt zu werden. Wenn man aber über die Koloniale Vergangenheit Indiens nachdenkt, ist dieses Anders-Behandelt-Werden aber doch nachvollziehbar. Teil unserer Aufgabe wird es hier also auch sein, in unserm Umkreis zu vermitteln, dass man nur aufgrund seiner Hautfarbe nicht besser, oder schlechter behandelt werden sollte. Dass es auf den individuellen Charakter und die Fähigkeiten ankommt, nicht auf weiß oder farbig. 


Wie man sich in einer WhatsApp-Gruppe unbeliebt macht

Wie bereits in einem früheren Eintrag erwähnt, sind Tine und ich jetzt stolze Mitglieder einer WhatsApp-Gruppe für Deutsche Freiwillige in Hyderabad. In dieser stellten wir beide uns also kurz vor und waren positiv überrascht, dass uns tatsächlich jemand willkommen hieß und mehr über uns und unser Projekt wissen wollte. Dass dieses Interesse aber eigentlich nur von einer Person ausging, stellten wir erst erschrocken 300 Nachrichten später fest, als sich ein anderes Gruppenmitglied zu Wort meldete, und anmerkte, dass es ihm gerade etwas „zu trashig“ wurde. An dieser Stelle also nochmal sorry an alle anderen Gruppenmitglieder, dich sich von unserer Konversation gestört gefühlt haben. Tine ging also in einen Privat-Chat mit Moritz über - er ist derjenige, der Interesse an unserem Projekt gezeigt hatte. Ich gehe davon aus, dass er etwas Mitleid mit uns hatte, als er hörte, dass wir die einzigen der Gruppe sind, die an Samstagen ganz normal arbeiten müssen und dass wir noch nicht wirklich viel von der Stadt gesehen haben.

 Kurzer Hand wurde also beschlossen, dass wir uns mit ihm und seinen Team-Partner, Jurek, an unserem freien Sonntag treffen würden. Das ausgemachte Ausflugsziel war eine Mall in der Stadt, die noch keiner von uns besucht hatte. Tine und ich trafen zuerst in der City Center Mall ein. Wir beschlossen uns schon mal etwas umzusehen und landeten in einem Buchladen. Hier deckten wir uns mit jeweils 3 neuen Büchern ein. Alles in allem erschien und diese Mall aber nicht so sehenswert, wie die letzte, die wir besucht hatten. Also ließen wir die Jungs wissen, dass sie uns einfach hier aufsammeln sollten. Als sie dann meinten vor dem Eingang zu stehen, wir sie dort aber nicht finden konnten, fiel uns auf, dass es ebenso auch eine Hyderabad Central Mall gibt, und wir uns an zwei unterschiedlichen Orten aufhielten. 

Als neuer Treffpunkt wurde dann also die moderne Mall ausgemacht und wenig später hieß es dann: „Schau mal Tine, zwei Weiße, das müssen sie sein!“ So war es dann auch, und es war echt mal wieder total entspannend mit anderen Menschen Kontakt zu haben, die die eigene Sprache sprechen. Nach einem gigantischen Eis, in welches Nutella und Brownie-Stückchen verarbeitet war, beschlossen wir, einen nicht weit entfernten Park zu besuchen. 

Hier fanden wir unser erstes richtiges grünes Fleckchen Erde in der Stadt und plauderten einfach ein wenig. Als dann die Mentorin der beiden anrief und meinte, sie würde sie jetzt abholen und an einen See fahren, dachten wir schon, dass die Zeit des Abschieds gekommen war. Als sie uns dann aber auch ins Auto gewunken hat, waren wir zwar anfangs etwas unsicher, beschlossen aber, dass wir nichts mehr verpassen wollten. Was dann folgte, war wohl unser erstes Indisches Abenteuer. 

Mehr dazu im nächsten Blog-Eintrag! 

Montag, 4. September 2017

Ist's dir zu laut? – oder bist du nur zu dicht dran?

WIR waren definitiv zu nah dran.

In der Nacht vom 31.08. auf den 01.09. versuchten wir, guter Dinge schlafen zu gehen. Als wir uns also gegen 22 Uhr ins Bett legten, hörten wir bereits entferntes Trommeln, inzwischen waren wir aber an die indische Großstadt mit ihren vielen Geräuschen einigermaßen gewöhnt, so dass wir uns keine weiteren Gedanken machten. Als ich dann gegen 22:30 Uhr aus meinem Halbschlaf gerissen wurde, konnte ich zunächst nicht glauben, dass das wirklich Trommeln waren. Als es innerhalb der nächsten Stunde immer lauter und lauter wurde, beschloss ich, als ich das Gefühl hatte, dass der Lärm direkt vor unserer Haustür war, nachzuschauen. Als ich also um halb zwölf im Schlafanzug auf unserem Balkon stand, stellte ich fest, dass ich Recht hatte. Sie WAREN direkt vor unserer Haustür. Und SIE waren ca. 7 Trommler, die einen Rhythmus nach dem anderen anstimmten, ungefähr 15 Leute in orangener Kleidung, die wild dazu tanzten, ein großes Auto, das Licht spendete und ein Anhänger, der von dem Auto gezogen wurde. Auf dem Anhänger war eine riesige Ganesha Figur. Die Figur war so groß, dass auf dem Anhänger auch einige junge Männer standen, die die tiefhängenden Stromleitungen mit einem Holzstab nach oben hielten, so dass die Figur nicht daran hängen blieb. Das Spektakel guckten Melanie und ich uns einige Zeit zunächst fassungslos, dann interessiert und dann müde an, bis wir beschlossen, dass wir noch einmal den Versuch starten könnten zu schlafen. Die Feiernden waren eine Straße weitergezogen und somit war es ein klein wenig leiser. Mit Ohropax und Kopfhörern bewaffnet, startete ich also gegen 1 Uhr erneut den Versuch, zu schlafen, was mir glücklicherweise auch irgendwann gelang. Am nächsten Tag fühlten wir uns beide ziemlich gerädert und die unruhige Nacht hatte dafür gesorgt, dass die Erkältung, die ich zu diesem Zeitpunkt ausbrütete, in ihrer vollen Pracht schlüpfte. Am nächsten Tag wurde ich mit den Worten „You don’t look good in your face, you should go home.“ nach Hause geschickt, wo ich die verpassten Stunden Schlaf der Nacht zuvor nachholte.

Zwei Nächte später sahen wir bereits auf der Heimfahrt einen Zug der Trommler und ahnten schlimmes. Vorsichtshalber drehte ich in dieser Nacht die Lautstärke meines Hörbuchs auf und steckte mir zum Einschlafen Ohropax und Kopfhörer in die Ohren, da wir beide die Befürchtung hatten, wieder das gleiche erleben zu dürfen. Irgendwann nachts wachte ich also wieder auf, hörte Trommeln und dachte mir nur „Oh nein, das ist jetzt nicht wahr, das träumst du nur…“ drehte mich um und schlief überraschenderweise wieder ein. Als ich am nächsten Morgen um 10 Uhr aufwachte, war ich total glücklich, zum ersten Mal länger als bis 8 Uhr geschlafen zu haben und nicht von schreienden Obstverkäufern auf der Straße geweckt worden zu sein. Als Melanie und ich dann in der Küche standen, fragte ich sie, ob ich von den Trommlern nur geträumt hätte, oder ob sie wirklich da waren. Eine Sekunde schaute sie mich ungläubig an und erzählte mir dann, dass die Trommler in dieser Nacht um 1 Uhr angefangen hatten und diesmal nicht in Orange, sondern in Blau unterwegs waren. Auch waren sie wieder direkt vor unserem Apartment. Genervt hatte sie in dieser Nacht beschlossen, mit ihrem Verlobten zu skypen, damit er sie ein bisschen von dem Lärm ablenke, da sie wütend war und eh nicht schlafen konnte.


Ein paar Tage später erfuhren wir, warum diese ganzen nächtlichen Feiern abgehalten wurden. Die Ganesha-Figuren werden nämlich alle zu einem großen See gefahren, um dort weiter mit ihnen zu verfahren. Was an diesem See passiert, erfahrt ihr aber in einem anderen Blogartikel.

Kann das Zufall sein?

Ein Visum alleine genügt nicht, um sich legal in Indien aufhalten zu dürfen. Zusätzlich zu der Bürokratie in Deutschland, muss man sich auch vor Ort noch polizeilich registrieren lassen. Hierfür füllte unsere Mentorin in den ersten Tagen unzählige Papiere und Onlinedokumente aus, nur um dann vor Ort festzustellen, dass ein benötigter Beleg von den 25, die wir dabeihatten, auf einen falschen Namen ausgestellt war. Nach ewiger Wartezeit hieß es dann also: Alle Unterlagen wieder einsammeln und auf einen neuen Termin warten. An diesem konnte unsere Registration dann auch tatsächlich abgeschlossen werden. So viel Erfolg wie wir hatte an diesem Tag aber nicht jeder. Schon als wir das Gebäude betraten, glaubte Tine, Leo gesehen zu haben. Leo war ein anderer Freiwilliger, der sich auch bei der Karl Kübel Stiftung beworben hatte, und auch zu dem Auswahlseminar eingeladen wurde, wo er und Tine sich anfreundeten. Er entschied sich allerdings, mit einer anderen NGO nach Indien zu gehen und wurde von dieser ebenfalls in Hyderabad platziert. Aber wie hoch sind die Chancen, sich zufällig in einer Millionen-Stadt zu begegnen? Anscheinend gar nicht so gering, denn es stellte sich heraus, dass sich tatsächlich Leo und zwei weitere deutsche Freiwillige genau an diesem Tag auch registrieren lassen wollten. Nur hatten sie im Gegensatz zu uns keinen Telugu-sprechenden Mentor im Schlepptau. Dementsprechend verstanden sie auch nicht, dass ihnen die Beamten seit 5 Stunden nicht weiterhalfen, weil ihnen ein einziges Dokument fehlte. Unsere Mentorin sprang als Übersetzerin ein und das Problem war in nicht mal 10 Minuten gelöst. Als kleines Dankeschön fügte uns Leo dann in eine bereits bestehende WhatsApp-Gruppe von Deutschen Freiwilligen in Hyderabad hinzu. Ein Lichtblick für uns, wussten wir doch bis jetzt noch nicht, wie wir uns hier einen Freundeskreis aufbauen sollten und Orte außerhalb unserer Nachbarschaft entdecken sollten. 

Samstag, 2. September 2017

Weil wir uns nicht nur von Fragen löchern lassen


Woher unser plötzliches Bedürfnis kam, uns auch von Nadeln löchern zu lassen, das weiß ich selbst gar nicht mehr so genau. Fest steht nur, dass ich plötzlich den Wunsch nach einem Septum und Tine nach einem Piercing an der Seite der Nase verspürte. Also machten wir uns auf, die Weiten unserer Stadt zu erkunden. Online hatten wir 3 Piercing-Studios, in einer nicht allzu weit entfernten Gegend, gefunden. Da glücklicherweise auch noch ein Starbucks in diesem Gebiet war, wurde der Entschluss gefasst, unseren freien Sonntag für eine kleine Erkundungstour zu nutzen. Als wir die Adresse des Starbucks bei Google Maps eingaben, stellte wir überrascht fest, dass sich dieser in einer großen Mall befand. Also gut, dann eben noch ein kleiner Shopping-Ausflug zusätzlich. Ein Uber brachte uns zu unserem ersten Ziel und wir staunten nicht schlecht, als wir feststellten, dass die Mall noch größer und moderner war, als alles, was wir in Indien bis jetzt gesehen hatten. Wir verspeisten glücklich ein Sub zum Mittag und gönnten uns eine Nachspeise bei Starbucks. Die Namen der Läden kommen einen alle aus Europa bekannt vor. Ob Calvin Klein, Vero Moda oder Nike. Wirklich asiatisch kam uns dieser Ort nicht vor.



Weiter ging es dann mit der Rikscha. Vermeintlich steuerten wir eine andere Mall an, in der sich das erste Piercing-Studio befinden sollte. Verwöhnt von unserer ersten Mall, war der folgende Schock dann umso größer. Wir befanden uns in einem Gebäude, das aussah, als wäre es seit einigen Jahren komplett verlassen. Auf unser Bauchgefühl hörend, verzichteten wir auf ein Piercing vor Ort. Auch das zweite Studio überzeugte uns nicht. Beziehungsweise fanden wir es gar nicht erst. Nachdem wir mehrere Minuten durch ein Wohngebiet geirrt waren, beschlossen wir, aufzugeben und unsere Mentorin nach Hilfe zu fragen. Sie erklärte uns, dass es viel besser wäre, in einem Beauty-Studio nach einem Piercing zu fragen, da dies in Indien als Schönheitsideal angesehen wird. Das leuchtet natürlich ein. Leider erfuhren wir aber auch, dass ein Septum in Indien zurzeit keine Mode ist und ich deshalb wohl noch bis Deutschland auf mein Piercing warten muss. Unsere Mentorin besuchte mit uns dann wenige Tage später ein gehobenes und sehr hygienisches Beauty-Studio, wo Tine nicht nur ihr Nasenpiercing bekam, sondern wir uns beide auch noch spontan ein Helix, also ein Piercing oben am Ohr, stechen ließen.