Wirklich? Keine Probleme in Deutschland? Ich weiß nicht, ob ich über solche
Aussagen schmunzeln oder verzweifeln soll. Konkret geht es um Probleme in
Hinsicht auf die Gleichstellung der Frau und Sexismus. Wie oft ich bei meinen
Recherchen über die Frage gestolpert bin, ob wir Feminismus in Deutschland noch
brauchen, kann ich kaum noch zählen. In den letzten Tagen habe ich mich etwas
intensiver mit dem Thema auseinandergesetzt, da ich unseren Mitarbeiterinnen im
Büro gerne mehr über die Lage der Frauen in Deutschland erzählen würde. Und
dabei ist mir aufgefallen, wie wenig ich während meines Lebens in Deutschland
über diese Problematik nachgedacht habe.
Mir war nicht bewusst, dass in
unserem „fortschrittlichen“ Land die Vergewaltigung in der Ehe erst seit 1997
eine Straftat darstellt. Es mag harsch klingen, aber selbst Jugendliche in
meinem Alter hätten durch so ein Vergehen noch entstehen können, und das hat
mich doch schon etwas überrascht. Oder auch, dass erst seit letztem Jahr der
Grundsatz „Nein heißt Nein“ in das Gesetz bezüglich sexueller Übergriffe
aufgenommen wurde. Oder was sagen die Feminismus-Gegner in Deutschland zu der
Tatsache, dass Frauen durchschnittlich immer noch wesentlich schlechter bezahlt
werden, wie ihre männlichen Kollegen? Wie rechtfertigen sie, dass in der
Werbung nackte Frauenkörper als Ablage genutzt werden und für Produkte werben,
die nichts mit dem weiblichen Körper an sich zu tun hat? Ich finde es
vollkommen ok, wenn ein Unterwäsche-Label seine Waren an einem Frauenkörper
präsentiert, dafür sind diese Produkte ja schließlich gemacht. Aber was haben
künstliche Brüste mit Bierkästen zu tun? Und warum muss man eine Frau mit
Banane abbilden, um mitzuteilen, dass die neusten Angebote die Kunden
„wegblasen“ werden?
Bevor man also mit Fragen um sich wirft wie: „Du in Indien? Als Frau? Wirst
du da nicht schlecht behandelt?“, sollte man über die Lage im eigenen Land
nachdenken. Nicht umsonst gaben bei einer Studie 40%
der Deutschen Frauen an, schon einmal Gewalt erlebt zu haben (sowohl körperliche
als auch sexuelle). Und auch ich muss zugeben, dass ich in Indien bisher
noch keinen Grapsch-Attacken ausgeliefert war, was in Deutschland hingegen
schon sehr wohl vorkam. Natürlich bin ich erst seit einer kurzen Zeit hier und
möchte mit diesem Eintrag auch nicht implizieren, dass es in Indien bezüglich
der Thematik keine Probleme gäbe. Die gibt es sehr wohl. Aber sie werden hier,
im Gegensatz zu Deutschland, viel stärker thematisiert. Und das ist es doch, was erstrebenswert ist. Ein offener Dialog über
bestehende Probleme.
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